Ethische Überlegungen

Viele Menschen setzen große Hoffnungen in die Personalisierte Medizin: Sie soll dabei helfen, Prävention, Diagnose und Therapie enger an spezifische Eigenschaften von PatientInnen anzupassen und damit die Effektivität von Interventionen erhöhen, unnötiges Leiden verhindern, und im besten Fall auch noch Kosten senken helfen. Gleichzeitig fürchten manche Menschen, dass eine Personalisierte Medizin, die sich hauptsächlich auf molekulare Daten und andere hochtechnologische Analysen verlässt, andere Aspekte ausblendet, die für die Behandlung und die Gesundheit von Menschen wichtig sind. Sie argumentieren, dass Medizin nur dann wirklich personalisiert sein kann, wenn sie auf die individuellen Bedürfnisse von Menschen eingeht, auch wenn diese keinen engen klinischen Kriterien entsprechen. Ein Beispiel wären Daten über den Gesundheitszustand, die aus Perspektive der PatientInnen gemessen werden. Etwa die Frage: Wie fühlt sich die Patientin oder der Patient? Zudem wird die Sorge geäußert, dass der Begriff „Personalisierte Medizin“ bei PatientInnen falsche Hoffnungen wecken und diese glauben machen könnte, dass man gerade für ihr Problem eine maßgeschneiderte Lösung finden werde. 

Auch aus diesen Gründen sind Organisationen in manchen Ländern dazu übergegangen, nicht mehr von „Personalisierter Medizin“ sondern stattdessen von „Präzisionsmedizin“ zu sprechen. Wenn PolitikerInnen und ForscherInnen von Präzisionsmedizin sprechen, dann meinen sie häufig klinische und wissenschaftliche Praktiken, die auf der Analyse großer Datensätzen beruhen. Und diese Datensätze schließen nicht nur genetische oder molekulare Daten mit ein, sondern potenziell alle Daten, die uns, wenn man sie miteinander in Verbindung bringt, irgendetwas Neues über Gesundheit und Krankheit sagen können. So kann man beispielsweise durch die Analyse großer Datensätze von PatientInnen herausfinden, welche Eigenschaften Menschen gemeinsam haben, die nach einer bestimmten Operation besonders häufig Komplikationen erleiden. Wenn man eine Gemeinsamkeit findet, dann könnte man genau in dieser speziellen Gruppe von Menschen besonders risikovermeidend arbeiten (z.B. durch andere Nachsorge) oder die Operation möglicherweise gar nicht durchführen. 

Solche „big data“-Ansätze in der Präzisionsmedizin werden heute von manchen Menschen als revolutionär gefeiert. Andere warnen davor, zu viel von Daten zu erhoffen; Daten können fehlerhaft, unvollständig oder auch für eine bestimmte Frage nicht aussagekräftig sein. Zudem müssen wir bei medizinischen Entscheidungen, die auf großen Datensätzen beruhen, immer auch die Frage stellen, wer und was in den Datensätzen fehlt. Dies ist natürlich kein neues Problem: So sind etwa in Datensätzen über die Nebenwirkungen von Medikamenten Frauen oder auch gesellschaftliche Minderheiten oft unterrepräsentiert. Gelten die Ergebnisse, die wir aus solchen „männlichen“ und „weißen“ Datensätzen gewinnen, für alle Menschen? Solche und andere ethische Fragestellungen sind bei der Entwicklung der Personalisierten Medizin laufend zu berücksichtigen und bedürfen der gesellschaftlichen Diskussion. Innerhalb der ÖPPM beschäftigt sich insbesondere die Arbeitsgruppe Ethik & Gesellschaft mit Fragen dieser Art.