Was ist Personalisierte Medizin?

Im weitesten Sinn bedeutet Personalisierte Medizin die Berücksichtigung individueller Eigenschaften von PatientInnen in der Diagnose, Therapie, und auch in der Prävention. Damit steht der Mensch mit seinen spezifischen Merkmalen im Mittelpunkt der Personalisierten Medizin. Das ist die Vision, die hinter dem Begriff steht.

Obwohl es keine allgemein gültige Definition des Begriffs gibt, ist es wichtig, eine Begriffsdefinition als Referenzpunkt für ein gemeinsames Verständnis festzulegen. Die ÖPPM bezieht sich hierbei, wie auch das Internationale Konsortium für Personalisierte Medizin (ICPerMed), auf die Schlussfolgerungen des europäischen Rates zu personalisierter Medizin für Patienten (2015/C 421/03), welche definieren „… dass personalisierte Medizin ein medizinisches Konzept bezeichnet, das anhand der Charakterisierung der Phäno- und Genotypen von Einzelpersonen (z.B. molekulares Profiling, bildgebende Diagnoseverfahren, Informationen über die Lebensweise) die optimale Behandlungsstrategie für die jeweilige Person zum richtigen Zeitpunkt ermittelt und/oder die Prädisposition für eine Krankheit bestimmt und/oder rechtzeitig und gezielt die Prävention ermöglicht.“

Biomarker

Die Personalisierte Medizin spielt aktuell in der medizinischen Forschung eine wichtige Rolle. Die Idee dahinter ist jedoch nicht neu. Auch bisher haben ÄrztInnen und all jene, die für kranke Menschen sorgen, die individuellen Merkmale von PatientInnen berücksichtigt. Diagnose und Therapie basieren seit jeher auf Faktoren wie Geschlecht, Alter und Krankheitsgeschichte der jeweiligen Person. Neu sind hingegen die technologischen Möglichkeiten, um molekularbiologische Informationen zu gewinnen. Mit neuen Technologien können beispielsweise Gensequenzen oder das Vorhandensein spezifischer Enzyme untersucht werden. Zudem werden immer häufiger auch nicht-molekulare Daten – z. B. Information über den Lebensstil oder körperliche Aktivität – als für die Personalisierung von Diagnose und Therapie nutzbar angesehen. Das heißt, die Art und die Menge der Daten, die zur „Personalisierung“ von Diagnose, Therapie und auch Krankheitsprävention herangezogen werden, haben sich in den letzten Jahren stark verändert.

Individuelle biologische Merkmale wie beispielsweise die Gensequenz werden Biomarker genannt. Auch Blutdruck und Herzfrequenz sind Biomarker. Für Diagnosen und Therapien ziehen ÄrztInnen heute vermehrt molekularbiologische Biomarker heran. Aktuell ist dies insbesondere bei Krebs- oder Viruserkrankungen der Fall. Das ist mitunter deshalb wichtig, weil Medikamente nicht bei allen Menschen gleich wirken. Auf Basis der Informationen zu molekularen Biomarkern, die in Blut- und Gewebeproben enthalten sind, kann festgestellt werden, wie Medikamente auf PatientInnen wirken. Diese Methode macht es möglich, Menschen, die aufgrund ihrer genetischen „Ausrüstung“ von einer bestimmten Therapie nicht oder kaum profitieren würden, die Nebenwirkungen dieser Therapie zu ersparen bzw. eine andere Therapie mit größerer Erfolgsaussicht zu wählen.

Über Biomarker kann auch vor Ausbruch einer Krankheit festgestellt werden, welche Menschen ein hohes Krankheitsrisiko haben. Das eröffnet die Möglichkeit, Maßnahmen zur Vorsorge zu treffen. Darüber hinaus geben Biomarker Aufschluss darüber, ob und wie eine Therapie wirkt. Somit kann auch der Verlauf einer Therapie abgebildet werden.

Biobanken

Neue Erkenntnisse im Bereich der Personalisierten Medizin sind nur über das Sammeln von medizinisch relevanten Daten möglich. Eben von jenen Daten, die beispielsweise aus Blut- und Gewebeproben gewonnen werden können. Solche Sammlungen werden Biobanken genannt und sind meist an medizinischen Universitäten angesiedelt. In der Personalisierten Medizin liegt der Fokus stark auf molekularbiologischen Daten. Doch auch Informationen zu Lebensstil und Umwelt einer Person sind wichtig. In Biobanken werden die molekularbiologischen Daten mit anderen Informationen wie Alter, Geschlecht, Krankheitsgeschichte oder Lebensstil einer Person verknüpft.

Ein breiteres Verständnis von Personalisierter Medizin geht über die Nutzbarmachung von großen Datenmengen hinaus. Diesem Verständnis zufolge soll es bei der Vorsorge, Diagnose und Therapie von Krankheiten stärker darum gehen, den Menschen als Ganzes zu sehen. Das heißt, insbesondere auch die psychische Gesundheit und das soziale Umfeld einer/s PatientIn zu berücksichtigen.

Für die Zukunft werden große Hoffnungen darangesetzt, dass PatientInnen stärker in Forschung, Behandlung und Vorsorge eingebunden werden und damit die Entwicklung der Personalisierten Medizin unterstützen. Beispielsweise, indem sie einer Aufnahme ihrer biologischen Proben in eine Biobank zustimmen oder Informationen zu ihrem Gesundheitszustand bereitstellen (beispielsweise über Apps). Zugleich sollen PatientInnen auch stärker in Entscheidungen über ihre eigene medizinische Versorgung eingebunden werden.

Herausforderungen

Obwohl die Personalisierte Medizin noch am Anfang ihrer Entwicklung steht, wirft der Ansatz der Personalisierung schon heute eine Reihe von Fragen auf. Das betrifft zum Beispiel die technische Umsetzung und den Umgang mit gesammelten Daten. Wie können große Datenmengen verarbeitet und interpretiert werden und vor allem, wie kann der Schutz der Daten gewährleistet werden? Ebenso ist ungeklärt, wie sich die Kosten entwickeln werden und wer diese tragen soll. Darüber hinaus muss man sich der Frage stellen, wie sich mit der Umsetzung der Personalisierten Medizin das Verhältnis zwischen ÄrztInnen und PatientInnen verändern wird. Nicht zuletzt müssen wir auch besser verstehen, welche Auswirkungen der wachsende Druck, an der (Selbst-)Überwachung im Namen der Gesundheit teilzunehmen, auf die PatientInnenautonmie hat. Zur Beantwortung dieser Fragen sind sowohl die Zusammenarbeit von ExpertInnen aus verschiedenen Disziplinen als auch der Dialog mit PatientInnen von essenzieller Bedeutung. Genau diesem Ziel dient die Österreichische Plattform für Personalisierte Medizin.

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